Gordon – Bennett Rennen 2023 in Albuquerque /USA

Vizeweltmeister Wihlem Eimers erzählt von seinen Eindrücken

Mit traditionell drei Mannschaften reisten die deutschen Teilnehmer in die USA. Die Anreise dauerte zwischen fünfzehn und dreißig Stunden, weil – wie bei zwei Mannschaften geschehen – der Flieger verpasst wurde, da sich die Einreise wegen der Einwanderungsbehörde in Houston um fast zwei Stunden verzögerte. Von zweiunddreißig Schaltern waren nur vier besetzt. Als ein weiterer Flieger gelandet war, wurden drei Schalter umgeleitet. Das hieß: Warten. Gutscheine und Hotel gibt es hier zwar kostenlos, jedoch ist ein Tag weg. Mit dem Gefühl: „Nein, herzlich willkommen seid ihr Besucher in den USA nicht“, startete das Abenteuer USA. Um 05:00 Uhr am nächsten Tag ging es zum Flughafen und fünf Stunden später waren wir in Albuquerque (ABQ), der Hauptstadt von New Mexiko. Einige von uns waren bereits 2022 zum fünfzigsten Jubiläum der Weltballonstadt, mussten damals aber leider wegen des dauerhaften schlechten Wetters zwölf Tage später wieder unverrichteter Dinge den Heimweg antreten. Letztes Jahr mussten wir unseren Ballon per Luftfracht versenden, was coronabedingt mit 5.000 Euro die teuerste Luftfracht meiner vierzehn USA Reisen war. In diesem Jahr war es deutlich besser. Die Firma BLASER/CH trat in ABQ als Sponsorpartner auf und dank David Strasmann und BLASER konnten wir die Ballone per Container für 1.000 Euro in die USA und zurück versenden. Eine große Hilfe und unseren herzlichen Dank an David und BLASER. Natürlich weine ich, wenn unser Ballon Anfang Dezember im Hafen von Antwerpen eintrifft und per LKW in die Schweiz fährt. Er kommt nur fünf Kilometer an unserem Ballonhangar vorbei – wird jedoch erst in der 1000 Kilometer entfernten Schweiz freigegeben: Zollabfertigung für ein registriertes Luftfahrtzeug, das sonst über Ländergrenzen hinweg durch die Luft fliegen darf. Leider sind die Winde nicht immer gut für uns und ein Schiff, bzw. LKW bringt den Ballon zurück.

Vizelweltmeister 2023: Benjamin (li) und Wilhelm Eimers

Aus ABQ gibt es dafür Gutes zu berichten. Hier ist die Zolleinfuhr geklärt. Die Ballone haben seit zwei Jahren den direkten Weg in die große Halle der Ballonfiesta gefunden. Das spart einen halben Tag und viele Kilometer. Es kann jedoch auch schmerzen, wenn man – wie der Schweizer Pilot – seine Brennstoffzelle mit Akku in der Halle zurücklässt und zu spät feststellen muss, dass sich eine Zelle seines Lithium Akkus in dem Jahr entladen hat und gestorben ist. So musste er das Rennen nach einem Tag und knapp 300 Kilometer abbrechen. Das tut weh!

Am Donnerstagabend gab es im Hotel die traditionelle „Eimers Willkommensparty“, die jedoch wegen der langen Anreise der Teams etwas ruhiger ausfiel, als man es in Europa gewöhnt war.

Alle organisatorischen  Abläufe waren wie immer gut und gekonnt.  Die offizielle Eröffnungsparty, vormals oft ein großes Event, fiel etwas kleiner aus – zwei Biermarken pro Teilnehmer reichen eben nicht für ein stimmungsvolles Fest. Die Auslosung der Startreihenfolge brachte uns die Startnummer vier von siebzehn. Samstagmorgen um 8 Uhr war die Nacht zu Ende. Das letzte Briefing war im 32 Kilometer entfernten Hotel um 10:00 Uhr angesetzt. Die Zwänge der Organisation nehmen nur wenig Rücksicht auf die Teilnehmer, die ja drei bis vier Nächte nicht mehr ein richtiges Bett zu sehen bekommen.  Dass der geplante Zeitpunkt zum Aufrüsten der Ballone thermikbedingt nicht um 13 Uhr starten konnte, wurde allen schnell klar. Der Wind lag nicht bei den erhofften 8 kt, sondern durch Böen bedingt bei bis zu 15 kt. Damit war ein Aufrüsten der Gasballone unmöglich. Zweimal wurde zum Feldbriefing gerufen und um 16 Uhr konnte es dann langsam losgehen. Die Wetteraussichten sagten für die kommenden Tage ein großes, sicheres und umfangreiches Hochdruckgebiet über Amerika voraus und das traf auch zu. ABQ liegt 1500 m über NN und die Fahrten gehen fast immer nach Westen. Da ist jedoch das große und nochmals 1500 m hohe Sandia  Gebirge im Weg. Auf 3500 m Fahrthöhe zu steigen, heißt gleich nach dem Start nochmal 12 Sack a. 10 kg über Bord zu werfen. Starten wir in Europa mit ca. 70 Sack á 10 kg (das ist etwas von der Startplatzhöhe und Temperatur abhängig) so bekamen wir in ABQ 55 Sack mit. Aber das geht ja allen andern Piloten genauso.  Etwa 60 Kilometer nach Norden bei Santa Fee gibt es ein Tal. Hier durchzukommen heißt, du musst nicht höher als 2600–2800 m über NN fahren. Das spart gut 7 Sack. Genau so kam es. Alle Ballone fuhren in der tiefdunklen Nacht zuerst nach NO mit 15 – 25 km/h. Gegen Mitternacht fuhren wir in 105° durch das Tal.  Nur die Kojoten jaulten die Ballone an. Ständig mussten wir die Höhe über Grund  messen bzw. das GPS befragen. Um 1:00 Uhr folgte die erste Ruhepause von Wilhelm. Unter der Liege, dem Arbeitsplatz des Piloten, ließ es sich gut ruhen. Nach drei Stunden wurde gewechselt und zur Sicherheit der Höhenwarner aktiviert. Der Fahrtbericht sagte aus für 6:00 Uhr – 2000 m/46 Sack/ 105°/48 km/h bei Santa Rosa. Mit jedem Meter nach Westen wird der Boden tiefer – in den ersten 24 h nur wenig, einen Tag weiter unter 1000 m/NN. Der Sonnenaufgang über den Weiten der texanischen Wüste ist sehr angenehm. Die Temperaturen stiegen von nächtlichen 14° C. auf über 30° C.

Da ist es Zeit den Sonnenschutz aufzuhängen. Längst waren wir für ABQ Center nicht mehr zu hören. Mal einen Gasballon in der Ferne, sonst weit und breit kein Luftfahrtzeug. Da kann man sich den Strom für den Transponder auch mal sparen. Von 3:40 Uhr bis um 11 Uhr verbrauchten wir keinen Ballast. Die Sonne wollte den Ballon bis zur Prallhöhe (ca. 3500 m) aufsteigen lassen, was jedoch einen viel langsameren Wind in der großen Höhe bedeutet hätte. Das Gas, was wir auf der Prallhöhe durch den Füllansatz verlieren würden, ließen wir durch sehr vorsichtige Ventilzüge ab und hielten somit den Ballon in der schnelleren tieferen Luftschicht um die 2000 m.

Prallhöhe: Die Ballonhülle 1000 m³ ist voll und das sich durch die Erwärmung weiter ausdehnende Gas strömt durch den offenen Füllansatz raus. Der Ballon steigt nur ganz langsam-pro Grad Gaserwärmung 0,4 % von 90 kg/Gasgewicht. Bei einer über Stunden stattgefundenen Gaserwärmung von z.B. 10 °C ist der Ballon um 3,6 kg leichter geworden. Da wir aber in 2000 m Höhe fahren, hat die Hülle nur noch 800 m³. 4 % von 72 Kg/Gasgewicht. Wir sind nur um ca. 2,8 kg leichter geworden. Leichter werden heißt steigen oder wenn es oben keinen schnelleren Wind gibt – Gas ablassen. Aber nie zu viel!

Gasballonfahren heißt, die Physik von Gas und Temperatur und Luft zu verstehen. Unser Team im Command Center versorgte uns ständig mit neuen Berechnungen, die wir versuchten umzusetzen. Die einsetzende Abkühlung bedeutet: Das Gas zieht sich zusammen und verdrängt weniger Luft. Der Ballon fällt und fällt – ohne Ballastabgabe bis zum Boden.

Impressionen

Rechtzeitig müssen wir entscheiden, in welcher Höhe wir durch die zweite Nacht fahren und wo der beste Wind und die beste Richtung zu erwarten ist.  Die Abkühlung kostet gut sieben Sack. In der stockdunklen Nacht über Amerika sind die Sterne zu hunderttausend leuchtende Boten einer sauberen Luft. Aber wirklich viel Zeit hatten wir dafür nicht.  Am zweiten Morgen fuhren wir über Oklahoma und mussten den schnellen Wind in 3600 m finden. Hier war er mit gut 36 km/h unterwegs. Jetzt waren die sehr langsamen 14 km/in der Nacht vergessen. Um 13:00 Uhr fuhren wir mit noch 27 Sack und 60 kg Notballast in 3700 m mit 113° und 41 km/h. Das war gut und die Stimmung stieg im Korb. Essen ist wichtig, aber wichtiger ist Trinken. Wir hatten neben Cola und Energie Drinks noch 20 l trinkbares Wasser dabei.  Die Weiten in Amerika sind schon groß, sogar sehr groß. Jedoch sieht man fast immer irgendwo Autospuren. Keine Farm weit und breit, jedoch Spuren von amerikanischer Mobilität. Längst hatten wir das grüne Amerika erreicht. Den Mississippi zu überfahren ist immer ein besonderer Moment. Benjamin ruhte und im wenigen Mondlicht überfuhren wir den Fluss in großer Höhe. Große Wälder und nach drei Tagen immer noch ein freundliches Hochdruckgebiet ließen diese lange Gordon Bennett Fahrt entspannt weiterlaufen. In der Zwischenzeit waren viele Ballons bereits gelandet, jedoch der Ballon von Frankreich 1 mit Benoit  an Bord war gut 400 km voraus nahe dem Atlantischen Ozean gelandet. Sie waren nicht mehr an diesem Tag einzuholen und noch eine Nacht, die vierte Nacht. Ist das möglich? Wenn es möglich ist, wie schnell sind die Winde? Fahren wir eventuell in der Nacht auf  den Atlantik raus bzw. müssen dann eine sehr gefährliche Nachtlandung riskieren.  Ohne Mondschein sind die Nächte stockdunkel und eine sichere Landung unmöglich. Es wurde viel gerechnet im Hauptquartier und bei uns im Ballon. Ballast gezählt und bestimmt, was als Notballast infrage kommen könnte. Wir waren gut aufgestellt. 16 Sack und 40 kg Notballast sollten ausreichen. Für die abendliche Abkühlung und die Fahrt durch die Nacht planten wir 5 – 7 Sack ein. Das passte genau, hatten wir am Morgen des vierten Tages noch 9 Sack und 30 kg Notballast. Einen 10 l Wasserkanister hatten wir für die nächtliche Abkühlung geopfert.

 

Den Sieg hatten wir jedoch am Mittag zuvor verloren. Über einer sehr großen Seenplatte des Lake Martin im Herzen von Alabama sehen wir gegen Mittag des dritten Tages den Ballon Frankreich 2 mit den späteren Siegern Eric Decellieres und Benito Havret. Der Gasballon Le Petit Prince (vielfacher GB-Siegerballon und ein Selbstbau von F. Leys–ca.70 kg leichter sind Korb und Hülle als unsere Wörner Ballone)  fuhr ca. 5 km nördlich von uns sehr tief. Es sah so aus, als wenn er landen würde. Kurz über dem Wasser stoppte er den Abstieg und fuhr tief weiter. So wie der Ballon aussah, schätzen wir eine weitere Fahrt durch die vierte Nacht als unmöglich ein. Das sollte eine Fehleinschätzung sein. Wir ließen unseren Ballon bis auf  ca. 2000 m steigen. Das sollte uns weiteres Gas und Ballast sparen helfen, denn die Sonne war noch stark. Die Fahrtrichtung wurde jedoch zusehends schlechter und der tiefer weiterfahrende Ballon fuhr weiter nördlich und fand so eine bessere Ausgangslage für den in der Nacht beginnenden Endkampf und den Sieg. Noch einmal schafften wir es nahe der Fahrtlinie von Frankreich 2 zu kommen, jedoch waren sie uns immer 20–40 km voraus und in einem schnelleren Wind Feld. Natürlich waren wir überrascht und verärgert wegen unserer Fehleinschätzung das Frankreich 2 auch noch eine Nacht fahren konnte.  Die letzte Nacht war hart. Wir waren jetzt 70 h in der Luft und in dieser Nacht mussten wir tief fahren. Tief heißt 200-300 m über Grund. Waren wir doch zuvor bis auf 2400 aufgestiegen und fuhren mit guten 39 km/h eine sehr schlechte Richtung mit 114°. Wir fielen noch vor der aufkommenden Dunkelheit auf 200 m über Grund und nur hier unter war es uns noch möglich, sich weiter nach Norden zu versetzen. Eine sehr kraft-aufreibende Nachtfahrt mit voller Aufmerksamkeit von Pilot und Co-Pilot. Mit 30 km/h war die Geschwindigkeit ok  und mit einer Drift um die 60°-70° wollten wir unsere Chance auf den ersten Platz noch waren. Warum in dieser sehr bewohnten Gegend hunderte von Masten stehen, verstanden wir nicht. Die höchsten waren um die 600 m über Grund. Volle Beobachtung über die Fahrthöhe und die Hindernisse war gefordert. Es ging gut und als der Morgen kam, musstenwir die stabile nächtliche Inversionsschicht verlassen, um 100 m über Grund zu versuchen, noch weiter nach Norden zu fahren. Alles, was wir machten, machten unsere französischen Freunde auch und so war es klar. Wir konnten sie nicht mehr einholen. Der Atlantische Ozean wird das Ende der Fahrt bedeuten und Frankreich 2 wird etwas weiter nördlich das Wasser erreichen können.

Aus 30 km Entfernung sahen wir die große Küstenlinie. Wir hätten noch vom Ballast her bis zum Atlantik fahren können. Mit noch 9 Sack und 30 kg Notballast waren wir sehr gut aufgestellt. Noch 35 km bis zum Ozean lagen vor uns und die große Stadt Wilmington in North Carolina mit einem größeren Flugplatz. TMA und CTR wären zu durchfahren gewesen. Eine Freigabe wäre sicherlich zu erhalten gewesen, weil auch ein Ballon in den USA eine Gleichbehandlung als Luftfahrtzeug erhält und nicht, wie so oft bei uns, nur als ein lästiges Übel angesehen wird. Wir stiegen ab und landeten nach über 85 h im Korb sehr sanft und glatt auf der Wiese eines amerikanischen Wohnhauses, deren Bewohner wohl bei der Arbeit waren. Wir waren Vizeweltmeister! Begrüßt von dem das Haus bewachenden Deutschen Schäferhund. Unsere super Verfolgermannschaft fuhr im Moment der Landung auf die Wiese. Danke an Claudia, Jan und Greg. Unser großer Bus lud gerade dazu ein, die Rückfahrt zu beginnen und nicht erst eine Nacht im Hotel zu verbringen. Mit drei Schlafplätzen waren wir gut aufgestellt – ist der Bus doch sonst für 15 Mitfahrer ausgelegt. Er brachte uns nach dreißig Stunden  amerikanischer Interstate-Highway-Fahrt gut nach Albuquerque zurück. Es war noch Zeit für das Debriefing, das Verpacken und die Abgabe des Ballons. Die Siegerehrung, na ja, wieder nur zwei Biermarken und für 150 Besucher der Siegerehrung nur eine Ausgabestelle. Wir können es ja in Münster 2024 besser machen.  Zuletzt noch danke. An den Wettfahrtleiter Tomas Hora, der sein erstes GB ausgezeichnet durchgeführt hat. An unser Commandcenter  und an Mark Sullivan, der das Rennen nach dem Schweizer Ausfall nach ABQ geholt hat.  Ja, Gordon Bennett ist und bleibt mit Abstand das härteste Ballonrennen – und gefährlich? Nein, für sechzehn Teams war es ein großes sicheres Abenteuer – Gute Besserung unserem polnischen Ballonfreund Piotr Halas.

Text und Fotos: Wilhelm Eimers